BUCHTIPP
Patientin „Europina“
„Europa, nennen wir sie jetzt am besten Europina, um einer sprachlichen Verwechslung mit dem gleichnamigen Kontinent nicht weiter Vorschub zu leisten, drückte die schwere Doppelglastür auf, trat ein und ging direkt auf die wenige Meter entfernte Rezeption zu, wo sie sogleich registriert und von einer älteren Dame in grauer Robe freundlich empfangen wurde. Ihr wurde ein Zimmer im obersten Stockwerk, also dem fünften, zugewiesen, wo die leichteren Patientenfälle untergebracht zu werden pflegten, wie es hieß. Sie fuhr mit dem Fahrstuhl hin-auf, öffnete die Zimmertür, trat in den modern ausgestatteten Raum und richtete sich kurz darin ein, bevor sie sich ermattet auf das frisch gemachte Bett legte und sofort einschlief.“
Europa, Europina, die in frühen Zeiten erkorene Beschützerin unseres Kontinents, macht sich in einer Art Zeitensprung auf den Weg, ihre innere Mitte zu finden, indem sie das offizielle Europa von heute zu ergründen sucht. Sie, die als Entführte dereinst auf Kreta lebte, migriert nach Deutschland, wo sich in Unterfranken die derzeitige geografische Mitte der EU befindet. So gerät die Tochter eines phönizischen Herrscherpaares für eine Weile unter die neuzeitlichen Franken, aber die Stationen sind wechselnd. Europas Mitte wandert immer weiter. Und Europina erkrankt immer mehr. Wie auf einer Skala des Abgrunds, umgeben von bemühten Ärzten.
Der Autor Fritz Feder, der seit 45 Jahren in Heidelberg lebt, wurde im Jahr 1949 in Boxberg bei Tauberbischofsheim geboren und ist in Ludwigshafen bzw. Speyer aufgewachsen. Feder studierte Volkswirtschaftslehre, Soziologie und Berufspädagogik in Mannheim, Heidelberg und Frankfurt.
Im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als selbständiger Berater in der Entwicklungszusammenarbeit besuchte er seit 1984 zahlreiche sog. Entwicklungs- und Schwellenländer aller Kontinente und evaluierte vor Ort mehr als 80 Bildungsprojekte. Von 2002-2008 war er als Seiteneinsteiger auch wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Kaiserslautern im Fachgebiet Pädagogik.
Das Buch ist ein etwas anderer Beitrag zur Reflexion über Europa, kombiniert in einer Novelle und einem Essay. Der Autor lässt den Leser mit seinem die Neugier weckenden Stil nicht mehr los. „Wo bin ich?“ fragt der Leser. Fiktion mit einem Fenster zum Jetzt, das gelingt Fritz Feder.
Fritz Feder, Europinas Leid, Europas Lieder – Europa in der Welt aus den Fugen
Verrai-Verlag – 9,90 Euro – ISBN 978-3-946834-42-7
Quelle: Verrai-Verlag / Roswitha Sehrt (Marketing & Promotion) – 1. Februar 2018
Foto: © Verrai-Verlag