NAHRUNG ALS WAFFE
Nahrung als Waffe. – Unser Recht auf Nahrung hängt an einem seidenen Faden. – Teil 1/2
Laut dem Welthungerbericht der Vereinten Nationen litten 2024 insgesamt 673 Millionen Menschen an chronischem Hunger. Das sind achtmal so viele Menschen, wie in Deutschland leben. Oder etwa weniger als doppelt so viele Menschen, wie in den Vereinigten Staaten von Amerika leben:
Das lässt uns den Artikel 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1948 zitieren:
Artikel 25
1. Jeder hat das Recht auf einen Lebensstandard, der seine und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen, sowie das Recht auf Sicherheit im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Invalidität oder Verwitwung, im Alter sowie bei anderweitigem Verlust seiner Unterhaltsmittel durch unverschuldete Umstände.
2. Mütter und Kinder haben Anspruch auf besondere Fürsorge und Unterstützung. Alle Kinder, eheliche wie außereheliche, genießen den gleichen sozialen Schutz.
Dies, um viele Worte zu folgendem, von Pascal Sigg für die Online-Zeitung INFOsperber über die internationale Nachrichtenagentur Pressenza verteilten Artikel und Film (Achtung: Auf Arte ist er nur noch bis zum 23. November 2025!) weiterzuleiten:
„«Wer das Essen kontrolliert, kontrolliert die Leute»
Wegen der Klimakrise befürchten Reiche und Mächtige Hungersnöte. Ein Dok-Film zeigt, wie sie sich Essen und Wasser sichern.
Pascal Sigg für die Online-Zeitung INFOsperber (vgl. https://www.infosperber.ch/)
Im Jahr 2014 erhält der amerikanische Investigativ-Journalist Nathan Halverson einen Anruf. Er soll sich die Übernahme des US-Nahrungsproduzenten Smithville Foods durch einen chinesischen Konzern mal genauer anschauen. Quasi über Nacht hatten die Chinesen jedes vierte amerikanische Schwein gekauft.
Die US-Öffentlichkeit war alarmiert. Es gab Anhörungen im Parlament, denn über allem kreiste die Frage: Steckte der chinesische Staat dahinter? Halverson machte sich an die Recherche, reiste nach China, traf Chefs und erhielt Berge von Dokumenten. So konnte er beweisen: Die staatlich kontrollierte Bank of China wickelte den Deal ab, indem sie innert kürzester Zeit fünf Milliarden Dollar zur Verfügung stellte. Die Übernahme entpuppte sich als Staatsangelegenheit.
So beginnt der Dokumentarfilm «The Grab» der US-Regisseurin Gabriela Cowperthwaite. Deutscher Titel: «Nahrung für alle? Der geheime Krieg um unsere Ressourcen».
[vgl. auf ARTE (verfügbar bis zum 23. November 2025!):
https://www.arte.tv/de/videos/122227-000-A/nahrung-fuer-alle/
oder auf YouTube (unser Link oben): https://youtu.be/WDDzRQIKvAg?si=OyOa0LEtxM7W7if9 ]
Der Film enthüllt, dass die chinesische Übernahme des US-Konzerns Teil eines größeren, geopolitischen Ringens um Nahrungssicherheit ist. Halverson bringt seine Erkenntnis in einem ausführlichen Interview mit dem Podcaster Theo Von auf den Punkt: «Die Reichen und Mächtigen versuchen immer stärker Essen und Wasser zu kontrollieren. Denn wer das Essen kontrolliert, kontrolliert die Leute.»
Bis er diesen brisanten Zusammenhang versteht, dauert es aber lange. Regisseurin Cowperthwaite begleitete Halverson und zwei Kolleginnen während sechs Jahren auf ihrer Recherche. Wer den Film schaut, macht dieselbe Erfahrung wie die JournalistInnen. Die Zusammenhänge erschließen sich erst nach und nach.
Im Fall Halversons geschieht dies auf drei verschiedenen, aber zusammenhängenden Wegen:
Erstens: Verschiedene Geschichten über die Jahre
Als Journalist recherchiert Halverson über viele Jahre hinweg am gleichen Stoff. So stößt er auch auf ein großes Landstück im US-Bundesstaat Arizona, welches von einer saudi-arabischen Firma gekauft wurde. Diese baut darauf das Futtergewächs Luzerne an und braucht es, um damit im eigenen Land Rinder zu füttern.
Der Grund: Saudi-Arabien geht das Wasser aus. In den 1990er-Jahren war das Land mal sechstgrößter Weizen-Exporteur der Welt. Doch heute sind die Grundwasser-Ressourcen aufgebraucht. In Arizona hingegen ist die Wassernutzung kaum reguliert. Wer Land besitzt, darf eine eigene Quelle erschließen und dafür so tief bohren, wie er will.
Halverson beginnt zu verstehen: Der Klimawandel betrifft alle Länder unterschiedlich. Und Nahrung und Wasser werden zu geopolitisch wertvollen Ressourcen. Russland hat dies ebenfalls verstanden. Dem Land erschließen sich mit der Erderwärmung immense Grünflächen, die als Weideland genutzt werden können.
Deshalb investiert das Land auch strategisch in die Fleischproduktion und heuert etwa Cowboys aus den USA an, um eigene Bauern auszubilden. Der CEO eines großen russischen Fleischproduzenten sagt im Film: «In Zukunft wird Nahrung die Welt beherrschen und Russland politische Stärke verleihen. Viel stärker als Öl oder Waffen. Das ist sicher.»
China hingegen verfügt bereits heute nicht mehr über genügend Wasser, um die eigene Bevölkerung zu ernähren. Deshalb werden Esswaren als Ersatz für Wasser importiert, welches gebraucht würde, um die Nahrung im eigenen Land herzustellen. Denn wer Fleisch produzieren will, braucht Futter. Und wer Futter produzieren will, braucht Wasser für die Pflanzen.
Wie gefährlich Nahrungsmittelknappheit werden kann, wissen die Chinesen genau. Zwischen 1959 und 1961 plagte das Land eine immense Hungersnot. Sie ist immer noch Tabuthema und es ist unklar, wie viele Menschen damals starben. Gewisse Schätzungen gehen von bis zu 30 Millionen Toten aus. Die heutige Führungsriege der Kommunistischen Partei um Xi Jinping hat diese Katastrophe am eigenen Leib erlebt.
Zweitens: Die Emails
Halverson wird ein Datensatz mit Tausenden Emails der Firma Frontier Resources Group zugespielt. Dabei handelt es sich um ein Unternehmen des US-Amerikaners Erik Prince. Der Ex-Armeeoffizier hatte zuvor das private Söldnerunternehmen Blackwater gegründet, damit im Irakkrieg viel Geld verdient und es später verkauft. Das neue Unternehmen war nun darauf spezialisiert, Agrarland zu erschließen und zu sichern.
Die Emails zeigten nicht nur, wer dies tut, sondern auch wie es geschieht. Sie enthalten präzise Analysen darüber, wo es 2012 das wasserreichste Land zum günstigsten Preis gab: in Sambia. Da findet Halverson 2017 Menschen, die von ihrem Land verjagt wurden und nun in Zelten hausten. Zu den Kunden der Firma gehörte beispielsweise ein Investitionsfonds der Vereinigten Arabischen Emirate, gesteuert vom Sicherheitsbeauftragten des Landes, für welchen Blackwater bereits eine Privatarmee aufgebaut hatte.
Drittens: Historische Neubetrachtung von Konflikten
Derartige Zusammenhänge bringen Halverson auch dazu, große, bekannte Konflikte neu zu beurteilen. Die Aufstände des «Arabischen Frühlings», etwa in Syrien oder Ägypten, gehen auf sprunghaft gestiegene Nahrungsmittelpreise zurück. Extreme Trockenheit führte zu Buschbränden in Russland, worauf das Land den Export der restlichen Ernte stoppte. Dies wiederum führte zu Panik an den internationalen Märkten und stark erhöhten Preisen.
Halverson im Film: «Die Russen behielten die Ernte, damit sie die eigenen Rinder nicht schlachten mussten.» Und weiter: «Andere Länder sahen, was im Arabischen Frühling geschah. Sie sahen, was geschah, wenn die Preise für Essen stark anstiegen. Und sie sagten sich: Wir müssen unser Essen kontrollieren, wenn wir unsere politische Stabilität behalten wollen.»
Der Film zeigt weiter, dass es sich bei den somalischen Piraten um Fischer handelte, deren Bestände von großen ausländischen Fischereiunternehmen leergefischt worden waren.
Über den russischen Angriff auf die Ukraine sagt Halverson: «Wir sehen ein Land, das ein anderes Land einnehmen will, wodurch es zum mächtigsten Nahrungsmittelexporteur der Welt würde.» Und Anuradha Mittal, Leiterin einer NGO, die sich vertieft mit Landgrabbing beschäftigt sagt im Film: «Wir müssen den Kampf für die Ukraine nicht als Kampf für die Demokratie verstehen. Sondern einmal mehr als Kampf um Ressourcen und ihre Kontrolle.»
Das Fazit Halversons: Es sei nachvollziehbar, dass Länder wie die USA, China, Russland, Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate die Ernährung ihrer Bevölkerung sicherstellen wollen. Denn der Klimawandel wird dazu führen, dass es immer mehr Orte gibt, wo Wasser fehlt und mehr Orte mit zu viel Wasser.
Er gibt aber zu bedenken: «Wir sehen nicht, dass sich die Weltgemeinschaft diesem Konflikt offen stellt. Wir sehen bloß, dass viele Nationen versuchen, sich im Verborgenen so viele Ressourcen wie möglich zu sichern.» Dabei gäbe es mehr als genug Essen auf der Erde.“
Vortext / Kommentar: Christph Maisenbacher – 1. November 2025
Quelle (vollständig zitierter Text): Pascal Sigg für die Online-Zeitung INFOsperber (vgl. https://www.infosperber.ch/) aus: International Press Agency Pressenza
Link-Zitate: alle Zitate, die wir übernehmen sind im Text mit einem Link versehen
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Dieser Text in LEICHTER SPRACHE ist veröffentlicht unter: https://www.trierer-umschau.de/2025-11-01-bb/
