Die Universität Bonn hat eine Diversitätsstrategie veröffentlicht, die sich für eine inklusive Hochschulkultur und gegen Diskriminierung stark macht - Foto: © Volker Lannert / Universität Bonn

UNIVERSITÄT BONN - DIVERSITÄT

Während die „Stadtbild“-Diskussion kocht, legt die Uni Bonn eine vorbildliche Diversitätsstrategie vor

Wo fängt das Hantieren mit dem „Abstempeln“ an – das Ausschließen, das Marginalisieren?

Fängt es damit an, dass Bundeskanzler Friedrich Merz sich mit folgenden Worten zur Migration äußerte:
Bei der Migration sind wir sehr weit. Wir haben in dieser Bundesregierung die Zahlen August 24, August 25 im Vergleich um 60 % nach unten gebracht, aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen. Das muss beibehalten werden, das ist in der Koalition verabredet.“ (gerne verweisen wir hier auf den von Lukas Böhl zzusammensgestellten Artikel in der Stuttgarter Zeitung: https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.friedrich-merz-stadtbild-aussage-wortlaut-mhsd.c674d7a6-52bd-4cbf-a68a-12f1700128fc.html )

Und dann zum Thema des ZDF-Politbarometers am 24. Oktober 2025 wurde:
Letzte Woche hat Bundeskanzler Friedrich Merz von Problemen im deutschen Stadtbild gesprochen. Jetzt hat er seine Aussage konkretisiert und erläutert, dass es mit denjenigen Probleme gebe, die keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus haben, nicht arbeiten und sich nicht an unsere Regeln halten. In einem Politbarometer-Extra zu diesem Thema meinen 63 Prozent der Befragten, darunter deutlich mehr Ältere als Jüngere, Merz habe mit dieser Aussage Recht, für 29 Prozent hat er das nicht (Rest zu 100 Prozent hier und im Folgenden jeweils „weiß nicht“). 33 Prozent der Deutschen fühlen sich an öffentlichen Orten und Plätzen unsicher, 66 Prozent aber sicher. Zwischen Männern und Frauen gibt es dabei so gut wie keine Unterschiede. Mit Flüchtlingen in der eigenen Wohngegend gibt es nach Ansicht von lediglich 18 Prozent Probleme (geringe/keine Probleme: 74 Prozent).

Und auch der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Alexander Roßkopf, hatte in der Folge Worte zu dem Thema:
„Gerade an den großen Bahnhöfen in den Innenstädten wird es immer gefährlicher, auch für unsere Kolleginnen und Kollegen. Sie erfahren immer weniger Respekt und Akzeptanz.“ bzw. „Mehr Sicherheit an den Bahnhöfen ergibt auch ein besseres Stadtbild.“ (vgl. https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_100972228/stadtbild-debatte-polizei-gewerkschaft-will-mehr-personal-an-bahnhoefen.html )

Da war es geradezu ein Wegweiser aus den dunklen Pfaden der Aussagen – Einbildungen – Rechtfertigungen – Abstempelungen, wenn die Universität Bonn sich genau das Gegenteil auf die Fahne schreiben möchte: Inklusion als Hochschulkultur, die keine Diskriminierung, Bildungsungerechtigkeit, Familien- oder Geschlechterkrankheit kennt und die Teilhabe auch von Menschen mit Unterstützungsbedarf ermöglicht.

Da hier eine Orientierung für das gesellschaftliche Miteinander verfasst wurde, die sich nicht nur auf den Raum der Universität Bonn beschränken sollte, will die Trierer Umschau hier den vollständigen Text der Pressemitteilung veröffentlichen:

 

Vielfalt als Querschnittsthema verankern
Universität Bonn veröffentlicht Diversitätsstrategie

Die neue „Diversitätsstrategie der Universität Bonn 2025-2030“ macht transparent, was sich die Hochschule für die kommenden Jahre in Sachen Vielfalt vorgenommen hat. Das Ziel: eine inklusive Hochschulkultur, die sich gegen Diskriminierung stark macht und vielfältige Perspektiven willkommen heißt. Erarbeitet wurde die Diversitätsstrategie gemeinsam von Vertreter*innen aller Statusgruppen.

„Die Diversitätsstrategie ist ein wichtiger Meilenstein für die Universität Bonn“, erklärt Prof. Dr. Irmgard Förster, Prorektorin für Chancengerechtigkeit und Diversität. Sie dient als Basis dafür, Diversität als Querschnittsthema in allen Bereichen der Uni zu verankern. „Die enthaltenen Maßnahmen stärken nicht nur die individuelle Entfaltung der Universitätsangehörigen, sondern auch die Innovationskraft und Attraktivität unserer Universität. Denn wissenschaftliche Spitzenleistung und ein diskriminierungssensibles Umfeld sind untrennbar miteinander verbunden“, betont Förster. Entsprechend ist die Diversitätsstrategie eng mit der Exzellenzstrategie der Universität Bonn verknüpft.

Fünf Themenschwerpunkte stehen dabei im Fokus: 1. Antidiskriminierung, 2. Bildungsgerechtigkeit, 3. Familiengerechtigkeit und Vereinbarkeit, 4. Geschlechtergerechtigkeit, 5. Inklusion und Teilhabe.

1. Antidiskriminierung

Antidiskriminierungsarbeit ist ein zentrales Element der Diversitätsstrategie, da sie die Grundlage für ein gerechtes und inklusives Umfeld bildet. Dies betrifft Merkmale wie rassistische Zuschreibungen, ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Lebensalter, sexuelle Orientierung und soziale Herkunft – sowie deren intersektionale Überschneidungen, die zusätzliche Dimensionen von Benachteiligung mit sich bringen können. Eine umfassende Antidiskriminierungsarbeit sorgt dafür, dass alle Universitätsmitglieder unabhängig von ihren individuellen Merkmalen gerechte Chancen erhalten. Kern dieser Arbeit sind zahlreiche Anlauf- und Beratungsstellen an der Universität Bonn, die Diskriminierung gezielt entgegentreten – etwa das Zentrale Gleichstellungsbüro, die Vertrauensdozierenden gegen Antisemitismus und die rassismuskritische Beratung.

Beispiele für Ziele im Themenschwerpunkt Antidiskriminierung:
• Förderung einer diskriminierungssensiblen Hochschulkultur, z.B. mit einem Empowerment-Programm für BIPoC-Studierende (Black, Indigenous and People of Color) • Weiterentwicklung und Stärkung der Beratungsstrukturen und -praxis in Hinblick auf Antidiskriminierung

2. Bildungsgerechtigkeit

Noch immer beeinflussen die sozio-kulturelle Herkunft und die ökonomischen Voraussetzungen individuelle Bildungschancen stark. Der Einsatz für mehr Bildungsgerechtigkeit ist daher für die Universität Bonn eine wichtige Aufgabe über den gesamten Student Life Cycle hinweg. Im Mittelpunkt stehen dabei Maßnahmen zur Verbesserung des Hochschulzugangs sowie Unterstützungsangebote bei der Aufnahme des Studiums oder einer Promotion, im Studien- bzw. Promotionsverlauf sowie auf dem Weg zum Berufseinstieg.

Beispiele für Ziele im Themenschwerpunkt Bildungsgerechtigkeit:
• Mehr Transparenz und Koordination zu Stipendien und Studienfinanzierung • Ausbau der Förderung von Erstakademiker*innen

3. Familiengerechtigkeit und Vereinbarkeit

Mit dem „audit familiengerechte hochschule“ ist die Universität Bonn dauerhaft als familienfreundliche Arbeitgeberin zertifiziert. Indem Universitätsmitglieder mit Familienverpflichtung gezielt unterstützt werden, soll die Vereinbarkeit von Studium/Arbeit und Care-Arbeit stetig verbessert werden. Das Familienbüro entwickelt, koordiniert und setzt die Angebote um. Ziel ist, allen Hochschulangehörigen zu ermöglichen, ihre akademischen und beruflichen Ziele erfolgreich zu verfolgen und gleichzeitig ihren familiären Verpflichtungen nachzukommen. Das stärkt auch die Universität als Lehr- und Forschungsinstitution als Ganzes.

Beispiele für Ziele im Themenschwerpunkt Familiengerechtigkeit:
• Anerkennung von Care-Aufgaben von Wissenschaftler*innen während der Qualifikationsphase • Verankerung einer familienorientierten Führungskultur

4. Geschlechtergerechtigkeit

Die Universität Bonn engagiert sich dafür, eine gerechte Teilhabe aller Geschlechter und Geschlechtsidentitäten zu verwirklichen. Dazu gehören insbesondere die Gleichstellung von Frauen mit dem Ziel der Parität sowie die verstärkte Berücksichtigung von trans*, inter* und nicht-binären Personen. Um sich der Geschlechterparität schrittweise zu nähern, hat die Hochschule 2018 bei der Konzeption ihrer Exzellenzstrategie festgelegt, den Anteil der Professorinnen von damals 19 auf 30 Prozent bis 2026 zu erhöhen – was sie bereits Ende 2024 erreicht hat. Möglich gemacht haben das zahlreiche Maßnahmen, unter anderem das STEP-Programm, das Wissenschaftlerinnen auf ihrem Karriereweg an der Uni Bonn durchgehend unterstützt und eine wichtige Säule der Exzellenzstrategie darstellt, sowie das Mentoring- und Trainings-Programm MeTra für Wissenschaftlerinnen in frühen Karrierestadien. Zur Stärkung von queeren Bedarfen wird die Kontaktstelle LGBTQIA* weiter ausgebaut.

Beispiele für Ziele im Themenschwerpunkt Geschlechtergerechtigkeit:
• Erhöhung des Professorinnenanteils auf 33 Prozent bis 2030 • Förderung eines sicheren Campusumfelds durch die Förderung von Awareness für geschlechtliche Vielfalt und Diskriminierungsprävention

5. Inklusion und Teilhabe

Die Universität Bonn arbeitet fortlaufend daran, die Rahmenbedingungen für Universitätsmitglieder mit Behinderung oder chronischer Erkrankung zu verbessern, um so die gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe aller Menschen am universitären Leben zu verwirklichen. Dafür baut sie physische, digitale, sprachliche, organisationale sowie einstellungsbedingte Barrieren ab. Durch mehr Awareness und Aufklärung rund um das Thema Inklusion soll ein vertrauensvolles Umfeld geschaffen werden. Außerdem engagiert sich die Uni dafür, ableistische Strukturen sowie Sprach- und Handlungsmuster zu reflektieren und zu verändern.

Beispiele für Ziele im Themenschwerpunkt Inklusion:
• Verbesserung der digitalen Barrierefreiheit von IT-Anwendungen und Lehrmaterialien • Ausbau von Unterstützungsangeboten, Lehre und Forschung rund um Inklusion

Neben den spezifischen Zielen dieser Themenschwerpunkte gibt es noch übergeordnete Ziele in sechs strategischen Handlungsfeldern: 1. Struktur und Infrastruktur, 2. Studium und Lehre, 3. Forschung und Transfer, 4. Führung und Karriereentwicklung, 5. Beratungs- und Unterstützungsangebote sowie 6. Kommunikation und Partizipation. So fördert die Universität Bonn etwa eine diversitätssensible Lehrkultur, vielfältige Perspektiven in der Forschung und eine niedrigschwellige Kommunikation. Ein zentraler Grundsatz der Diversitätsstrategie ist dabei Intersektionalität – also zu berücksichtigen, dass unterschiedliche Formen der Benachteiligung oft miteinander verknüpft sind und zu verschiedenen Diskriminierungserfahrungen führen können.

Die Diversitätsstrategie wurde in einem partizipativen Prozess gemeinsam von Universitätsmitgliedern aus allen Bereichen erstellt. Dafür kamen Vertreter*innen aller Statusgruppen – Studierende, Lehrende und Forschende sowie Mitarbeitende aus Technik und Verwaltung – in insgesamt sieben Werkstattgesprächen zusammen. Zusätzlich fanden weitere Konsultationen statt, z.B. mit Fakultäten, Dezernaten, den Personalräten und dem Arbeitskreis Diversität. Insgesamt waren über 250 Personen an dem Prozess beteiligt. „Die Diversitätsstrategie zu entwickeln, war eine gemeinsame Anstrengung der ganzen Universität. Nun setzen wir die Ziele, die wir uns darin gesetzt haben, Schritt für Schritt um“, bekräftigt Annabelle Krause-Pilatus, die die Stabsstelle Chancengerechtigkeit und Diversität seit September leitet.“

 

Vortext / Kommentar: Christph Maisenbacher – 26. Oktober 2025
Quelle (vollständig zitierter Text): Auszug aus der Pressemeldung „ZDF-Politbarometer“ – ZDF-Kommunikation // Haupttext: Pressemitteilung der Universität Bonn / Miriam Wagner / Dezernat 8 – Hochschulkommunikation – Leitung: Prof. Dr. Andreas Archut
Link-Zitate: alle Zitate, die wir übernehmen sind im Text mit einem Link versehen
Social-Media-Teaser: ChatGPT
Foto: © Volker Lannert / Universität Bonn

Dieser Text in LEICHTER SPRACHE ist veröffentlicht unter: https://www.trierer-umschau.de/2025-10-26-cb/