Immobil sollten die Regierungsgebäude bleiben. Mobilität und Flexibilität betrifft das Denken, das auf ein Erreichen der Klimaziele im Sinne aller Menschen ausgerichtet sein sollte - Foto: andreas160578 - Pixabay

KLIMAZIELE & POLITIK

Klimaziele verschieben? – Teil 1 – Deutsche Umwelthilfe kritisiert die verfassungswidrigen Nebelkerzen der Bundesregierung

Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD steht zu lesen:
“ Wir stehen zu den deutschen und europäischen Klimazielen, wohlwissend, dass die Erderwärmung ein globales Problem ist und die Weltgemeinschaft es gemeinsam lösen muss. Dafür setzen wir das Pariser Klimaabkommen um und verfolgen das Ziel der Klimaneutralität 2045 in Deutschland mit einem Ansatz, der Klimaschutz, wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und soziale Ausgewogenheit zusammenbringt und auf Innovationen setzt. Wir wollen Industrieland bleiben und klimaneutral werden.“

Im Grundgesetz steht unter Artikel 20a:
“ Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“

Der inzwischen vorliegende „Prüfbericht zur Berechnung der deutschen Treibhausgasemissionen für das Jahr 2024 und zu den Projektionsdaten 2025“ hat ergeben, dass „Gemäß den Projektionsdaten 2025 würde das Ziel der THG-Neutralität im Jahr 2045 und das Erreichen negativer THG-Emissionen im Jahr 2050 deutlich verfehlt.“
Wobei man unter THG-Emissionen oder Treibhausgas-Emissionen das Freisetzen von den bekannten Gasen wie Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) oder Lachgas (N2o) in unsere Atmosphäre versteht. Diese Gase speichern Wärme und erhöhen den Treibhauseffekt.

THG-Emissionen grüßen heute am 3. Juli 2025 in Europa und im Mittelmeer

Ob das alles normal ist? Ende Juli / Anfang August werden Hitzerekorde überschritten. Das Mittelmeer meldet 27 Grad Wassertemperatur mit Folgen, die in ihren Wetter-Extremen gar nicht vorhersehbar sind:

Deshalb sollten wir uns nicht potemkinsche Dörfer aufstellen, wenn es um den Klimaschutz geht!

Die Parteien sind da Meister im Aufstellen von Illusions-Attrappen. So wie das angeblich dem Feldmarschall Potjomkin gegenüber Katharina der Großen im Jahr 1787 gelang.

Im Theater funktioniert das auch, aber wir sind auf dieser Welt. Und da gibt es keinen Vorhang, den man zuziehen kann.

Aus diesem Grund lässt die Trierer Umschau zwei Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zu dem Prüfbericht mit deren Presseinformationen, die wir unzensiert wiedergeben, zu Wort kommen: Wir starten mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH), die sich inhaltlich für den Umweltschutz aber auch den Verbraucherschutz einsetzt:

 

Klimaziele in weiter Ferne: Deutsche Umwelthilfe kritisiert sektorübergreifende Emissionsbudgets als irreführend und verfassungswidrig

• Expertenrat für Klimafragen belegt deutliche Verfehlung der Klimaziele in den Jahren 2030, 2040 und 2045
• Nebelkerze 10-Jahres-Emissionsbudget: Sektorübergreifende Betrachtung bis 2030 verschleiert massiven Fehlkurs im Verkehrs- und Gebäudebereich
• Laufende Klimaklage am Bundesverwaltungsgericht für rechtskonformes Klimaschutzprogramm: DUH fordert sofortige Einführung eines Tempolimits, Sanierungsoffensive und Abbau klimaschädlicher Subventionen

Mit den aktuellen Klimaschutzmaßnahmen wird Deutschland die gesetzlich vorgeschriebenen Klimaziele in den Jahren 2030, 2040 und auch das Klimaneutralitätsziel 2045 deutlich verfehlen. Dies bestätigt der heute veröffentlichte Prüfbericht des Expertenrats für Klimafragen. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert dies scharf und fordert von der neuen Bundesregierung deutliche Nachbesserungen beim Klimaschutz.

Über die insgesamt verheerende Bilanz darf auch die äußerst knappe Einhaltung der – extra neu geschaffenen – sektorübergreifenden Emissionsbudgets für die Jahre 2021 bis 2030 nicht hinwegtäuschen. Die DUH kritisiert, dass das Zusammenfassen der Sektoren die massive Zielverfehlung in einzelnen Sektoren massiv verschleiert. Die Verfehlung des Klimaziels im Jahr 2030 geht insbesondere auf deutliche Verfehlungen in den Bereichen Gebäude und Verkehr zurück. Eine Verfassungsbeschwerde der DUH gegen die Entkernung des Klimaschutzgesetzes, die diese Schönrechnerei überhaupt erst möglich macht, ist bereits beim Bundesverfassungsgericht anhängig.

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Das Gutachten des Expertenrats zeigt schwarz auf weiß: Wir werden alle relevanten Klimaziele krachend verfehlen. Dass die Bundesregierung sich die Erreichung eines sektorübergreifenden Emissionsbudgets für einen Zehn-Jahres-Zeitraum auf die Fahne schreibt, ist blanker Hohn. Diese fadenscheinige neue Rechnung ist eine verfassungswidrige Nebelkerze und wurde letztes Jahr einzig deswegen ins Klimaschutzgesetz geschrieben, um die massive Zielverfehlung in einzelnen Sektoren zu verschleiern. Wir gehen davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht unserer Verfassungsbeschwerde gegen das entkernte Klimaschutzgesetz noch in diesem Jahr recht geben wird. Die Bundesregierung sollte jetzt umgehend zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen beschließen. Ein Tempolimit von 100 auf Autobahnen, 80 außerorts und 30 innerorts sowie der Abbau klimaschädlicher Subventionen sind längst überfällig! Mit unseren Klimaklagen werden wir die Bundesregierung zur Not dazu zwingen.“

Der Expertenrat für Klimafragen weist ausdrücklich darauf hin, dass die Bundesregierung durch das Klimaschutzgesetz dazu verpflichtet ist, ein Klimaschutzprogramm vorzulegen, mit dem die Klimaziele 2030 und 2040 erreicht werden. Bereits 2024 hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Bundesregierung nach einer Klimaklage der DUH zur Nachbesserung des Klimaschutzprogramms verpflichtet – diese legte jedoch Revision ein, statt dem eindeutigen Urteil zu folgen. Die DUH rechnet zeitnah mit einer letztinstanzlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts und fordert die neue Bundesregierung auf, es darauf gar nicht erst ankommen zu lassen.

Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der DUH: „Die Wärmewende geht nur im Schneckentempo voran, deshalb kann die Einschätzung des Expertenrats niemanden wirklich überraschen. Vor diesem Hintergrund ist es alarmierend, dass auch die neue Bundesregierung den überfälligen Kurswechsel Richtung Gebäudesanierung im großen Stil wieder nicht angehen will. Die neue Bauministerin Hubertz sollte sich nicht von den Wünschen einiger Immobilienkonzerne wie der LEG Wohnen oder dem Bundesverband Deutscher Wohnungswirtschaft GdW lenken lassen, einen Sanierungsstillstand herbeizuführen. Denn das geht auf Kosten der Mieterinnen und Mieter und auf Kosten des Klimaschutzes. Statt der Abschaffung des Heizungsgesetzes muss sich die Bundesregierung jetzt auf den viel zu hohen Energieverbrauch im Gebäudesektor konzentrieren, alles andere wäre mit den Klimazielen und der Energiewende nicht vereinbar. Wir brauchen schnellstmöglich eine richtungsweisende Gebäuderenovierungsstrategie, zu der Deutschland ohnehin seitens der EU bis Jahresende verpflichtet ist. Wir brauchen einen Sanierungsneustart mit klaren Leitplanken und stabilen staatlichen Investitionen, mit denen die Handwerks,- Bau- und Immobilienbranche langfristig planen kann. Keinesfalls darf die neue Bundesregierung die Fehler der Ampel-Regierung wiederholen und am aktuellen Neubau-Wahn festhalten. Der Schlüssel zu effektivem Klimaschutz ist der Gebäudebestand.“

Der Expertenrat für Klimafragen kritisiert darüber hinaus, dass der Landnutzungssektor (LULUCF) nicht als Treibhausgassenke fungiert, sondern eine zusätzliche Treibhausgasquelle ist. Dadurch sei nicht klar, wie das Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2045 erreicht werden soll.

Dazu Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Schon im vergangenen Jahr hat das Oberverwaltungsgericht Berlin die Bundesregierung dazu verurteilt, ein ambitioniertes Maßnahmenprogramm für Klimaschutzmaßnahmen im Landnutzungssektor aufzustellen. Die neue Bundesregierung darf die Umsetzung dieses rechtskräftigen Urteils nicht weiter vor sich herschieben und muss umgehend den nachhaltigen Umbau der durch Dürre und Klimawandel geschädigten Wälder vorantreiben, Moore renaturieren und eine ökologische Wende in der Landwirtschaft einleiten. Klimaschutz geht nur mit und nicht gegen die Natur. Das hat der Expertenrat durch das heute veröffentlichte Gutachten bestätigt und unterstrichen, dass dem Landnutzungssektor im nun vorzulegenden Klimaschutzprogramm eine besondere Bedeutung zukommen muss.“ “

 

Vortext / Kommentar: Christph Maisenbacher – 3. Juli 2025
Quelle (vollständig zitierter Text): Deutsche Umwelthilfe (DUH)
Link-Zitate: alle Zitate, die wir übernehmen sind im Text mit einem Link versehen
Foto: andreas160578 – Pixabay
Dieser Text in LEICHTER SPRACHE ist veröffentlicht unter: https://www.trierer-umschau.de/2025-07-03-ab/