INKLUSION / MENSCHENRECHTE
Wider der Ignoranz gegenüber Behinderten – der 5. Mai steht für Gleichstellung – ganz im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention
Inklusion findet vor Ort statt – nicht in Berlin. Und auch wenn der Koalitionsvertrag 33 Zeilen der Inklusion (1) widmet, so erscheint das zunächst als Absichtserklärung, welche auf eine Umsetzung wartet.
Heute, einem Tag nach dem 5. Mai 2025, dem Europäischen Protest-Tag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung freut es uns, dass wir gestern am gut gefüllten Trierer Porta-Nigra-Platz Plakate vorfanden, die die aktuelle Situation der Menschen mit Behinderung klar darstellten.
Niemand kommt an Menschen mit Behinderung vorbei
Die Trierer Umschau hat mit der Erkenntnis, dass 20 % der bundesdeutschen Bevölkerung auf Leichte Sprache angewiesen sind, angefangen all unsere Texte parallel in Einfacher Sprache anzubieten.
Menschen mit Behinderung machen fast 10 % unserer bundesdeutschen Bevölkerung aus: mehr als 7,9 Millionen!
Wir könnten hier auf die Presseerklärung des Statistischen Bundesamtes vom 19. Juli 2024 eingehen (vgl. www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/07/PD24_281_227.html ). Doch dies ändert nichts an den Sachverhalten, mit denen sich behinderte Menschen tagtäglich negativ konfrontiert sehen.
Bevor wir weitere Details an Forderungen, welche auf der Trierer Demonstration vom 5. Mai 2025 mit Demo-Plakaten angeschnitten wurden, eingehe, möchte ich gerne die juristische Basis für die Forderungen notieren:
Im Grundgesetz steht unter Artikel 3.3:
„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“
Eine ausführliche Basis stellt die im Jahr 2008 festgehaltene UN-Behindertenrechtskonvention dar. Welche als „Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ von insgesamt 191 Staaten ratifiziert wurde.
Nicht von ungefähr muss deshalb immer wieder darauf aufmerksam gemacht werden, dass Inklusion ein Menschenrecht ist, welches in jeder Form und ohne Einschränkung durchgesetzt werden muss. Und es diesem Menschenrecht widerspricht, wenn behinderten Menschen die Möglichkeit auf ein eigenständiges Leben genommen wird. Dies impliziert auch eine begleitende Betreuung – je nach Bedarf – der behinderten Menschen.
Inkulusion – im Duden findet man die Erklärung „das Mit-einbezogen-Sein; gleichberechtigte Teilhabe an etwas“ (vgl. https://www.duden.de/rechtschreibung/Inklusion ) bedeutet: behinderte Menschen nehmen an unserer Gesellschaft gleichberechtigt teil. Alles was ich als nicht-behinderter tun, lassen, auswählen, ablehnen, akzeptieren oder ablehnen kann muss auch den behinderten Menschen möglich gemacht werden.
Lesen Sie die UN- Behindertenrechtskonvention, dann wird Ihnen klar, wie eng der individuelle Blick von nicht-behinderten auf die Situation von Behinderten sein kann und warum wir als Titelbild das Demo-Plakat mit „Ignoranz behindert mehr als jede Diagnose“ gewählt haben: LINK / UN-BEHINDERTENRECHTKONVENTION
Das Motto in Trier lautete „Ausgrenzung behindert, Trier behindert!“
Ausführlich hat die Lebenshilfe Trier drei akute Punkte unterstrichen (vgl. https://www.lebenshilfe-trier.de/aktuelles/news/protesttag-forderungen-selbstvertretung ), die ganz konkret angegangen werden müssen:
1_ Die barrierefreie Bewegung in Trier: denn es gibt weiterhin hohe Bordsteine, welche die Bewegung einschränken, zu kurz geschaltete Grünphasen an Fußgängerampeln und „so schöne“ Wege mit Pflastersteinen, welche für Menschen mit Gehschwierigkeiten oder mit Rollstuhl und Gehhilfen teilweise gar nicht selbstständig genutzt werden können. – Besonders bei den Baustellen, welche alle von Nicht-Behinderten geplant und ausgeführt werden – werden die damit entstehenden Hürden für behinderte Menschen sehr häufig gar nicht in Betracht gezogen
2_ „Trier behindert, weil es bisher nur wenige Veranstaltungen gibt, an denen wir barrierefrei teilnehmen können! Hürden sind nicht nur fehlende barrierefreie Zugänge, sondern auch komplizierte Sprache, fehlende barrierefreie Toiletten, begrenzte Sitzplatzwahl für Rollstuhlfahrer*innen oder mangelnde barrierefreie Informationen zu Veranstaltungen.“
Und – auch Menschen um die 150 cm Körpergröße können ein Lied davon singen: „Schon der Besuch eines Supermarkts stellt eine große Herausforderung dar! Oft sind wir auf Hilfe angewiesen, weil viele Produkte nicht barrierefrei erreichbar sind. Selbstbestimmtes Leben – so ist es nicht möglich!“ (Die Zitate sind aus https://www.lebenshilfe-trier.de/aktuelles/news/protesttag-forderungen-selbstvertretun)
3_ Die Nutzung von Bussen als wichtigstes Fortbewegungsmittel für Behinderte in Trier ist mit Hürden verbunden: wie kann man als behinderter Mensch Einsteigen, bekommt man einen barrierefreien Sitzplatz, ist die Fahrplan-Information behindertengerecht? Oder auch: werde ich vorgewarnt, dass wenn ein Bus startet ich als behinderter Mensch nicht ohne Halt oder Sitzplatz überrascht werde?
4_ „Trier behindert, weil es kaum Bildungsangebote für Menschen mit Beeinträchtigungen gibt! Schon in der Schulzeit werden wir oft separiert, und danach bleibt meist nur der Weg in eine Werkstatt. Selbstbestimmte Entscheidungen sind ohne inklusive Bildungsangebote kaum möglich! Wir wünschen uns Berufsschulen oder andere Weiterbildungsmöglichkeiten. Wir wollen Fremdsprachen lernen, doch die existierenden Kurse sind nicht barrierefrei! Das Tempo ist zu hoch, die Sprache zu schwer!“ (vgl. https://www.lebenshilfe-trier.de/aktuelles/news/protesttag-forderungen-selbstvertretung )
Deshalb ist der 5. Mai nicht nur ein „Europäischer Protest-Tag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung“. Es ist auch ein Tag, der die Augen von Menschen ohne Behinderung öffnen sollte, mehr als nur sich selbst zu sehen.
Denn die individuelle Situation eines jeden einzelnen ohne Behinderung kann sich ad hoc ändern. Sei es durch einen Unfall oder – betreten wir die politische Bühne – durch ein Attentat: Im Alter von 48 Jahren wurde der CDU-Politiker Wolfgang Schäuble (1942-2023) von zwei Schüssen getroffen: Einer davon führte dazu, dass er vom dritten Brustwirbel abwärts gelähmt blieb. Sein Angewiesen-Sein auf einen Rollstuhl hat er in einem Focus-Interview im Jahr 2006 formuliert:
„Im Grunde sind alle Menschen behindert, der Vorzug von uns Behinderten allerdings ist, dass wir es wissen“.
Wir Nicht-behinderten haben noch einiges zu Lernen. – Damit zu der Pressemeldung des Deutschen Instituts für Menschenrechte:
„„Inklusion ist ein Menschenrecht“
Menschenrechtsinstitut ruft zu einer aktiven Politik für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen auf
Anlässlich des Europäischen Protesttags für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen am 5. Mai ruft das Deutsche Institut für Menschenrechte Bund, Länder und Kommunen dazu auf, die Inklusion von Menschen mit Behinderungen voranzutreiben.
„Inklusion ist ein Menschenrecht. Die Gesellschaft inklusiv zu gestalten, ist ein staatlicher Auftrag, der sich aus dem Benachteiligungsverbot des Grundgesetzes und aus der UN-Behindertenrechtskonvention ergibt,“ so Britta Schlegel, Leiterin der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention des Instituts. „Alle politisch Verantwortlichen müssen sich aktiv für eine inklusive Gesellschaft und ein demokratisches Miteinander einsetzen, auf Bundesebene, in den Ländern und in den Kommunen. In einer Zeit, in der menschenrechtliche Prinzipien wie Inklusion und Gleichberechtigung zunehmend in Frage gestellt werden, ist dies bedeutender denn je“, so Schlegel weiter.
Menschen mit Behinderungen sind in Deutschland nach wie vor mit vielen Barrieren konfrontiert. Sei es auf dem Arbeitsmarkt, im Bildungssystem, bei der Gesundheitsversorgung, beim Zugang zu barrierefreiem Wohnraum oder zu Kultur- oder Freizeitangeboten. Wollen sich Menschen mit Behinderungen gegen Diskriminierung wehren, stoßen sie auch bei der Justiz auf zahlreiche Barrieren. Aus Sicht des Instituts sind endlich maßgebliche Fortschritte bei der Inklusion von Menschen mit Behinderungen nötig.
Am 5. Mai, dem Europäischen Protesttag für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen, [setzten] sich zahlreiche Menschen in Deutschland mit Aktionen oder Veranstaltungen für Inklusion und Teilhabe und gegen Diskriminierung ein. Der Protesttag findet seit mehr als 30 Jahren statt und steht in diesem Jahr unter dem Motto „Wir sind 10 Millionen – Menschenrechte sind nicht verhandelbar!“.“
(1) https://www.koalitionsvertrag2025.de/sites/www.koalitionsvertrag2025.de/files/koav_2025.pdf
Vortext / Kommentar: Christph Maisenbacher – 6. Mai 2025
Quelle (vollständig zitierter Text): ots / Deutsches Institut für Menschenrechte / Bettina Hildebrand – https://www.institut-fuer-menschenrechte.de
Link-Zitate: alle Zitate, die wir übernehmen sind im Text mit einem Link versehen
Foto: Trierer Umschau – Danke an die Demo-Schilder-Gestalter*innen
Dieser Text in LEICHTER SPRACHE ist veröffentlicht unter: https://www.trierer-umschau.de/2025-05-06-ab/