ZIVILGESELLSCHAFT & UMWELTSCHUTZ
Friedrich Merz versuchts im Trump-Kostüm – doch dazu hat er noch nicht die richtigen Hosen an
Drei Tage vor dem Start in den Straßenkarneval hatte die Fraktion der CDU/CSU am 24. Februar 2025 ihre „Kleine Anfrage“ zum Thema „Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen“ in den Bundestag geworfen. Quasi als Orientierungshilfe für die Koalitionsverhandlungen. Gefühlt war es eine Kampfansage als „mit 30-Prozent-regieren-wir“-Partei gegen die in Vereinen sich organisierende Bürger’innen, welche gegenüber der Politik Grenzen vorhalten wollen.
Allerdings blieb es nicht nur bei der „Kleinen Anfrage“. Sondern bringt diese ein großes Fragezeichen bzw. eine Skepsis auf den Tisch der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und der SPD, welche am 28. Februar 2025 begonnen haben.
Keiner sagt es laut – und die AfD lächelt in die Runde
Wenn Friedrich Merz hier „Aufräumarbeiten“ im Sinne eines Donald Trump ankündigen wollte, so hat er vergessen, dass die Mehrheit in Deutschland nicht bei 28,52 Prozent liegt. Und nicht einmal mit dem möglichen Koalitionspartner SPD ist diese „Mehrheit“ so sicher, um hier aufzutreten, als hätte man die Hosen an.
Zumindest steht der Wunsch im Raum, dass sich die SPD des „Regierens“ wegen nicht „verkauft“. – Oder war dies von der CDU/CSU eine Drohgebärde mit der Fliegenpatsche, welche immerhin 551 Fragen enthält und direkt am Tag nach der Bundestagswahl eingebracht wurde.
Interessant ist, dass nach dem 28. Januar 2025, als mit den Stimmen der AfD der 5-Punkte-Plan der CDU durchgewungen wurde (vgl. https://www.trierer-umschau.de/2025-01-30a/ ), man erst zu den Demonstrationen aufgerufen hatte. Und am 21. Februar – also knapp 3 Wochen danach (vgl. die Signatur der „Kleinen Anfrage“) – man schon diese immense Zahl an Fragen vorlegen konnte.
Was auch immer geplant ist, es stinkt
Und wie oft auch Friedrich Merz sich von der AfD distanziert, scheint hier dennoch eine Türe geöffnet zu bleiben, die auch die Wähler gespürt haben (vgl. https://www.stern.de/politik/deutschland/umfrage–merz-schliesst-koalition-mit-afd-aus—mehrheit-hat-zweifel-35426420.html ). Alles weitere ist „gute Pressearbeit.“
Die Trierer Umschau wird weiter für die „in Frage gestellten“ Vereine ein Sprachrohr sein
Wer selbst einmal sich die Mühe machen will – auch, um den Kopf zu schütteln, der/dem möchten wir hier die „Kleine Anfrage“ der CDU/CSU als pdf-Datei zugänglich machen: 2015035
Folgende Vereine wurden darin – indirekt (!) – mit Fragen torpediert, denn die Anfrage ging direkt an die Bundesregierung:
_ CORREKTIV gGmbH – https://correctiv.org/
_ Omas gegen Rechts Deutschland e. V. – https://www.omas-gegen-rechts.org/
_ Campact e. V. – https://www.campact.de/
_ Attac Trägerverein e. V. – https://www.attac.de/
_ Amadeu Antonio Stiftung – https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/
_ Peta Deutschland e. V. – https://www.peta.de/
_ Animal Rights Watch e. V. – https://www.ariwa.org/
_ Foodwatch e. V. – https://www.foodwatch.org/de/startseite
_ Dezernat Zukunft e. V. – https://dezernatzukunft.org/
_ Deutsche Umwelthilfe e. V. – https://duh.de/
_ Agora Agrar gGmbH – https://www.agora-agrar.de/
_ Agora Energiewende gGmbH – https://www.agora-energiewende.de/
_ Greenpeace e. V. – https://www.greenpeace.de/
_ BUND e. V. [Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.] – https://www.bund.net/
_ Netzwerk Recherche e. V. – https://netzwerkrecherche.org/
_ Neue deutsche Medienmacher*innen e. V. – https://neuemedienmacher.de/
_ Delta1 gGmbH – https://aktionsnetzwerk-nachhaltigkeit.de/ und https://www.greenculture.info/
Wenn Sie die Lust verspüren, die jeweiligen Vereins-Seiten-Links selbst anzuschauen, werden sie auch auf freiwillige Antworten der Vereine auf die Fragen der CD/CSU entdecken. Sozusagen stellvertretend für die Bundesregierung, an welche die 551 Fragen gestellt waren.
Kritik mundtot machen – ein Prinzip der Macht
Natürlich „kotzt“ (sorry für das Bild) jede Regierung bzw. Partei / Verwaltung / Industrie / Politiker*in und sicherlich auch manchmal jeder Bürger*in und auch wir als Redaktion, wenn die Deutsche Umwelthilfe die Finger in die offenen Wunden legt. Und das tagtäglich! – Wenn der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) auf Defizite in Sachen Naturschutz hinweist. Oder Greenpeace eine Zukunftsklage (vgl. https://www.trierer-umschau.de/2024-08-29a/) der Regierung serviert. Und all die anderen Vereine nicht „gut“ sagen gegenüber all dem, was „schlecht“ ist, wenn sie aufklären, wenn sie recherchieren und öffentlich machen.
Was der Koalition von CDU/CSU nicht in den Sinn gekommen ist, dass sie mit der Befragung = In-Frage-Stellung der Vereine eine Masse in Frage stellt, die diese Vereine unterstützt: Greenpeace hat in Deutschland 620.000 Mitglieder und der BUND etwa 675.000 Mitglieder.
Die Trierer Umschau reagiert
Von unserer Seite haben wir uns bei all den oben notierten Vereinen „extra“ in deren Presseverteiler eingetragen bzw. mit einem Schreiben gebeten, in diesen aufgenommen zu werden.
Warum „extra“. Denn wenn eine Partei die oben notierten Vereine, welche auch staatliche Förderungen erhalten, als „gemeinnützige NichtregierungsOrganisation“ in Frage stellt und sie zwingt per se politisch neutral zu sein, dann findet ein Einfrieren der Vereinsarbeit statt. Das ist zumindest unser Redaktions-Empfinden. Denn ansonsten könnte jede „Regierung“ frei agieren denn jede Kritik an Gesetzesvorhaben, Entwicklungen und Entscheidungen wäre ja politisch! – Doch darüber lassen wir die Anwälte streiten.
Wir werden gerade den Vereinen, die konkret in der „Kleinen Anfrage“ genannt wurden ein Podium bieten. Ganz im Sinne unserer Maxime: die 17 UN-Ziele für eine nachhaltige Entwicklung können nicht erreicht werden, wenn Regieren ein Konservieren und ein Mundtot-Machen impliziert.
Unser Text entstand auf Grund der unmittelbaren Reaktionen der Vereine zu der CDU/CSU-Anfrage:
Greenpeace formulierte am 26. Februar 2025
„In der Kleinen Anfrage der CDU/CSU-Fraktion zur politischen Neutralität staatlich geförderter Organisationen sieht Martin Kaiser, geschäftsführender Vorstand von Greenpeace Deutschland einen Einschüchterungsversuch der Union:
„Die vielen Fragen der Union sind ein plumper Versuch, die Zivilgesellschaft einzuschüchtern. Die kommende Bundesregierung muss viele gesellschaftliche, wirtschaftliche und ökologische Probleme lösen. Dafür braucht sie breite Unterstützung im Land, auch von der Zivilgesellschaft. Deshalb ist dieser fortgesetzte Kulturkampf brandgefährlich. Greenpeace ist in den letzten Wochen und Monaten zusammen mit Kirchen, Gewerkschaften, Verbänden und Hunderttausenden Menschen auf die Straße gegangen, um für demokratische Werte und gegen Rechtsextremismus zu protestieren. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat dieses Engagement ausdrücklich gelobt, doch die Union will es offenbar unterbinden. Das halten wir für grundfalsch. Greenpeace wird weiterhin den Finger in die Wunde legen, wenn Klima, Natur oder Demokratie gefährdet sind. Wir erwarten von Friedrich Merz als zukünftigen Bundeskanzler, dass er mit uns spricht und sich in der Sache auseinandersetzt. So wie es Angela Merkel und Olaf Scholz auch taten.“
(vgl. https://presseportal.greenpeace.de/247358-greenpeace-zur-ngo-anfrage-der-union)
Noch deutlicher wird der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) mit dem schönen Hinweis “ Natur- und Umweltschutzverbände wie der BUND übernehmen in vielen Bereichen Aufgaben, in denen der Staat zu wenig tut. Gern delegiert die Politik diese Aufgaben wie die Pflege von Schutzgebieten an Umweltverbände und andere Organisationen mit ihren zehntausenden ehrenamtlichen Aktiven, die Großes für die Gesellschaft leisten.“ – Die vollständige Presseinformation lautet:
„Demokratischer Zusammenhalt statt Attacken gegen die Zivilgesellschaft
Zu der Anfrage der Unionsfraktion im Bundestag zur Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen erklärt Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND):
„Der Ausgang der Bundestagswahl vom vergangenen Sonntag legt vor allem eins nahe: Wir brauchen in Deutschland ein starkes und wohlmeinendes demokratisches Miteinander. Die neue Bundesregierung muss schnell gemeinsame Lösungen für die ökologischen Krisen finden. Sie muss den gesellschaftlichen Zusammenhalt aufbauen. Dafür braucht es konstruktive Gespräche der Zivilgesellschaft mit Vertreter*innen von CDU/CSU, statt einer Verschärfung des politischen Streits. Der BUND steht dafür bereit.
Die Breite der Vorwürfe und Unterstellungen gegenüber dem BUND und anderen Organisationen aus der Berichterstattung der vergangenen Wochen und aus der kleinen Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat uns getroffen und irritiert. Wir standen in den vergangenen Jahren in einem kontinuierlichen Austausch über manchmal kontroverse, aber durchaus auch gemeinsame Positionen in ökologischen Fragen. In den 50 Jahren unseres Bestehens haben wir immer wieder eng mit Bundes- und Landesregierungen der Union, sowie Landrätinnen und -räten und Bürgermeister*innen kooperiert und dabei viel für Umwelt und Naturschutz erreicht.
Um die ökologischen Krisen zu lösen, wird diese Zusammenarbeit auch weiterhin notwendig sein. Natur- und Umweltschutzverbände wie der BUND übernehmen in vielen Bereichen Aufgaben, in denen der Staat zu wenig tut. Gern delegiert die Politik diese Aufgaben wie die Pflege von Schutzgebieten an Umweltverbände und andere Organisationen mit ihren zehntausenden ehrenamtlichen Aktiven, die Großes für die Gesellschaft leisten. Mit ihrer Anfrage leistet die Unionsfraktion daher dem demokratischen Diskurs und dem Miteinander in unserem Land einen Bärendienst. Der BUND setzt keine Fördergelder von Bundes- und Landesregierungen für die Beteiligung an Demonstrationen ein. Uns geht es darum, den demokratischen Zusammenhalt der Gesellschaft und der Parteien zu stärken.“
Das Rundschreiben der Deutschen Umwelthilfe haben wir den folgenden Artikel gewidmet.
Vortext / Kommentar: Christoph Maisenbacher
Quellen: Greenpeace (vgl. Link) – BUND-Pressestelle – 2. März 2025
Foto: Foto: Jörn Heller – Pixabay