MENSCHENRECHTE / ASYL
Bundestag entscheidet für 5-Punkte-Plan der Union mit 348 zu 345 Stimmen – und jetzt, wie geht man mit heißer Luft um?
Ob es Wahltaktik war. Ob die CDU/CSU sich als Doch-Alternative zur AFD vorstellen wollte. Ob hier ein Testlauf in Sachen „demokratische Zukunft“ vor der Bundestagswahl gestartet wurde. Der verbleibenden Regierung (SPD und Grüne) hat es nicht gepasst, dass der Antrag der Union – der sog. „5-Punkte-Plan“ – mit Hilfe der FDP und vor allem der AfD und einigen Parteilosen Abgeordneten mit „durchkam“.
Unternehmen wären kartellrechtlich belangt worden
Ob der immer wieder unter die Nase der Union geriebene Sachverhalt einer internen „Absprache“ auf der anderen Seite „demokratiefreundlich“ war bzw. ist, sei mit einem Fragezeichen in den Raum gestellt. Absprachen bei Unternehmen würden kartellrechtlich untersucht werden, fällt einem da ganz spontan ein…
Doch ging es wirklich um den 5-Punkte-Plan und heute vielleicht um die „Zustrombegrenzung“?
Rechtlich stehen die 187-CDU/CSU-80-FDP-75-AfD-und-6-fraktionslose-Abgeordneten mit ihrer Entscheidung im Regen. Denn der Plan und die Begrenzung haben juristisch keine Chance auf eine Umsetzung.
Also heiße Luft?
Wohl ein Wahlwerbungs-Schuss ins Leere. Eine Zielangabe, welche juristisch mit einer „6“ bewertet werden muss. Wohl werden da einige Abgeordnete einfach Nachsitzen müssen.
Deshalb bedanken wir uns beim Deutschen Institut für Menschenrechte (vgl. https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/), der „unabhängigen Nationalen Menschenrechtsinstitution Deutschlands“ (https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/das-institut ) folgende Presseinformation im Vorfeld der heutigen Abstimmung im Bundestag:
Doch zunächst, was wurde mit 348 Ja-Stimmen abgestimmt (vgl. dazu auch https://www.google.com/url?sa=t&source=web&rct=j&opi=89978449&url=https://dserver.bundestag.de/btd/20/146/2014698.pdf&ved=2ahUKEwiT4MSPwJ2LAxV-S_EDHYzZCl0QFnoECBYQAQ&usg=AOvVaw0nwODLqP_ZPp_xg–80jZe :
„1. Dauerhafte Grenzkontrollen: Die deutschen Staatsgrenzen zu allen Nachbarstaaten müssen dauerhaft kontrolliert werden.
2. Zurückweisung ausnahmslos aller Versuche illegaler Einreise: Es gilt ein faktisches Einreiseverbot für Personen, die keine gültigen Einreisedokumente besitzenund die nicht unter die europäische Freizügigkeit fallen. Diese werden konsequent an der Grenze zurückgewiesen. Dies gilt unabhängig davon, ob sie einSchutzgesuch äußern oder nicht. In unseren europäischen Nachbarstaaten sind siebereits sicher vor Verfolgung, einer Einreise nach Deutschland bedarf es somitnicht.
3. Personen, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, dürfen nicht mehr auf freien Fußsein. Sie müssen unmittelbar in Haft genommen werden. Die Anzahl an entsprechenden Haftplätzen in den Ländern muss dafür signifikant erhöht werden. DerBund wird die Länder dabei unterstützen und schnellstmöglich alle verfügbarenLiegenschaften, darunter leerstehende Kasernen und Containerbauten, zur Verfügung stellen. Die Zahl der Abschiebungen muss deutlich erhöht werden. Abschiebungen müssen täglich stattfinden. Abschiebungen auch nach Afghanistan undSyrien werden regelmäßig durchgeführt.
4. Mehr Unterstützung für die Länder beim Vollzug der Ausreisepflicht: Der Bundsoll die Länder auch weiterhin beim Vollzug der Ausreisepflicht – etwa durchBeschaffung von Reisepapieren und der Umsetzung von Rückführungen – unterstützen. Diese Unterstützung muss weiter ausgebaut werden. Überdies werdenBundesausreisezentren geschaffen, um Rückführungen zu erleichtern. Die Bundespolizei muss die Befugnis erhalten, bei im eigenen Zuständigkeitsbereich aufgegriffenen, ausreisepflichtigen Personen auch selbst und unmittelbar Haftbefehle für Abschiebehaft oder Ausreisegewahrsam beantragen zu können.
4. Verschärfung des Aufenthaltsrechts für Straftäter und Gefährder: Ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder sollen in einem zeitlich unbefristeten Ausreisearrestbleiben, bis sie freiwillig in ihr Heimatland zurückkehren oder die Abschiebungvollzogen werden kann. Aus diesem Arrest ist die freiwillige Ausreise ins Herkunftsland jederzeit möglich. Nicht mehr möglich darf hingegen eine Rückkehrnach Deutschland sein.“
Folgende Presseinformation wurde heute vom Deutschen Institut für Menschenrechte veröffentlicht:
„Menschenrechtsinstitut: Migrationspolitische Maßnahmen müssen grund- und menschenrechtskonform sein
Anlässlich der aktuellen Diskussion um Verschärfungen des Asylrechts erklärt Nele Allenberg, Leiterin der Abteilung Menschenrechtspolitik Inland/Europa:
„Der tödliche Messerangriff von Aschaffenburg, aber auch die Angriffe von Magdeburg und Solingen haben nicht nur das Land erschüttert, sondern auch die Migrationspolitik in das Zentrum des Wahlkampfes gerückt. Alle Parteien mitten im Wahlkampf tragen eine besondere Verantwortung, den ohnehin aufgeladenen Diskurs nicht noch weiter zu verschärfen. Was wir sehen, ist das Gegenteil: Die furchtbaren Ereignisse werden genutzt, um zu polarisieren. Schutzsuchende und Einreisewillige werden pauschal als Gefahr dargestellt. Das leistet rassistischen Vorstellungen Vorschub, vergiftet das Zusammenleben aller in diesem Land und gefährdet in letzter Konsequenz Menschenleben.
Maßnahmen gegen Verbrechen wie in Aschaffenburg, Magdeburg und Solingen müssen im Einklang mit den Grund- und Menschenrechten stehen. Die Umsetzung des 5-Punkte-Plans, den die Unionsfraktion in dieser Woche in den Bundestag einbringen will, würde jedoch auf einen Rechtsbruch hinauslaufen: Denn die vorgeschlagenen Maßnahmen sind mit den europarechtlichen und menschenrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands unvereinbar.
Dem Institut ist es ein besonderes Anliegen, auf die Risiken der Verletzung von Menschenrechten hinzuweisen:
Allen, die an den Grenzen keine Einreisedokumente vorlegen können, die Einreise zu verweigern, würde Schutzsuchende und unter ihnen auch Schutzbedürftige treffen. Das widerspricht der Genfer Flüchtlingskonvention, die mit ihrem Refoulementverbot alle Vertragsstaaten verpflichtet, in einem fairen und effektiven Asylverfahren zu überprüfen, ob Menschen, die Schutz suchen, Verfolgung in ihrem Herkunftsland droht. Deutschland hat die Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt – und zwar aus der Erfahrung der eigenen Geschichte heraus.
Auch der Plan, Ausreisepflichtige zu inhaftieren, – im Fall von Straftätern und so genannten Gefährdern sogar unbegrenzt – verstößt gegen Menschenrechte. Denn Art. 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention setzt Freiheitsbeschränkungen enge Grenzen. Die Regelungen zur Abschiebungshaft in Deutschland müssen diesen Anforderungen entsprechen – nun pauschal alle Ausreisepflichtigen zu inhaftieren, verletzt das Recht der Betroffenen auf Sicherheit und Freiheit.
Pauschale Einreiseverweigerung und flächendeckende, unbegrenzte Grenzkontrollen widersprechen auch europarechtlichen Verpflichtungen Deutschlands. Denn die Dublin-III Verordnung schreibt vor, die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens zu prüfen. Genau diese Prüfung würde aber mit den pauschalen Einreiseverweigerungen entfallen. Flächendeckende, unbegrenzte Grenzkontrollen widersprechen außerdem dem Schengener Grenzkodex, der Grenzkontrollen an Binnengrenzen zu anderen EU-Mitgliedstaaten nur in bestimmten Ausnahmefällen zulässt. Europäischen Regelungen so offen eine Absage zu erteilen, widerspricht dem Bekenntnis des Grundgesetzes zur Europäischen Union und gefährdet auch den gerade mühsam gefundenen Konsens des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems.
Nach dem ebenfalls zur Abstimmung stehenden Gesetzesentwurf der Unionsfraktion soll dauerhaft die Möglichkeit für Bürgerkriegsflüchtlinge beendet werden, ihre Familien nach Deutschland nachreisen zu lassen. Die Einstellung des Familiennachzugs stellt eine schwerwiegende Einschränkung des Rechts auf Familienleben dar, das zumindest dann nicht hinnehmbar ist, wenn Menschen aufgrund der Bürgerkriegssituation nicht in ihr Herkunftsland zurückreisen können, um dort mit ihren Familien zusammen zu leben. Die Aussetzung des Familiennachzugs hat in der Vergangenheit großes Leid bei den Betroffenen verursacht und sich außerdem als integrationshemmend herausgestellt.
[…]“
P.S. Unserem Kommentar zu den Grenzkontrollen haben wir schon abgegeben (vgl. https://www.trierer-umschau.de/2024-09-10c/ )
Vortext / Kommentar: Christoph Maisenbacher
Quelle: Deutscher Bundestag / Deutsches Institut für Menschenrechte – 30. Januar 2025
Foto: Tung Lam auf Pixabay