Jan Tschickardt, Chef der Zimmerei Tschickardt, Kulturamtsleiterin Elvira Classen, der Vorsitzende der Trier Gesellschaft Karlheinz Scheurer (vorne, von links nach rechts) sowie weitere Mitglieder des Vereinsvorstands und Kulturdezernent Markus Nöhl (3. von rechts) freuen sich darüber, dass der Pranger wieder an seinem angestammten Platz die Innenstadt schmückt – Foto: © Presseamt der Stadt Trier

Top 3 am 23.12.2024 – Hindenburg musste weichen, aber der Pranger wurde wieder aufgestellt – Zur Zweideutigkeit der Trierer Stadtkultur

Den Pranger in der Grabenstraße, ich habe ihn während seiner Abwesenheit (siehe unten) nicht vermisst. Für mich markierte er immer einen Ort der Grausamkeit, den ich so schnell wir möglich verlassen wollte. Denn ich sah die Menschen, wie sie dort mit einem Halseisen angekettet dem Spott und der Willkür der Vorbeigehenden ausgesetzt waren. Das sind Tatsachen, die für mich solch ein Pranger konserviert. Egal, was diese Menschen strafrechtlich verbrochen hatten, ein öffentliches zur-Schau-Stellen war immer mit einer Herabwürdigung der Personen betroffen, einer Verachtung der Menschlichkeit. Denn sie waren damit von der Stadt verwiesen, wenn nicht gar vogelfrei. Und sie konnten frei vom „redlichen Bürger“ bespuckt und beworfen werden.

Ist der Pranger deshalb ein Kulturdenkmal?

Wenn die Sensibilität einer Stadt sich an einer „Hindenburstraße“ stört, dann sollte sie sich auch an der Präsentation eines Prangers stören.

Wir zollen dennoch Respekt den Menschen, die sich für die Trierer Kultur einsetzen

Diese Kritik der Trierer Umschau stellt die Menschen, die sich für den Erhalt von Kultur in unserer Stadt engagieren auf keinen Fall in Frage. Doch eine Erinnerungskultur, die einen Pranger aufstellt und auf der anderen Seite die Stadt „sauber macht“ (Stichwort: Hindenburg oder Bismarck) denkt in zweierlei Maß. Entweder man stürzt die Vergangenheit oder man lebt mit ihr.

Aus Respekt gegenüber all den Engagierten und all denjenigen, denen der Pranger gefehlt hat, übernehmen wir den folgenden Text des Presseamtes der Stadt Trier:

Der Pranger ist zurück

Viele haben ihn vermisst, seit 23. Dezember ist er wieder da: Nach über einem Jahr kehrt der Pranger an seinen angestammten Platz in der Grabenstraße zurück. Nachdem Unbekannte ihn im September 2023 stark beschädigten, musste er aufwändig wiederhergestellt werden. Kulturdezernent Markus Nöhl begrüßt, dass das Straßenbild nun wieder das Gewohnte ist: „Endlich ist der Pranger wieder an seinem Ort. Es freut mich sehr, dass der beliebte Blickfang in der Grabenstraße, der uns an unsere mittelalterliche Vergangenheit erinnert, an seinem gewohnten Standort wieder aufgestellt werden konnte.“ Zu verdanken ist dies einer bürgerlichen Initiative: Der Wiederaufbau wurde mit großer Unterstützung der Trier Gesellschaft und lokalen Sponsoren realisiert. Die Trier Gesellschaft, mit deren Vorsitzendem freut vor allem, dass dies noch vor Weihnachten möglich war, denn so kann sie pünktlich zum Fest allen Triererinnen und Trieren eine Freude machen.

Bereits 1979 sorgte eine Initiative der Bürgerschaft für die Aufstellung des Prangers in der Grabenstraße. Als „Vater“ des Prangers kann der Trierer Historiker Dr. Emil Zenz gelten, der sich bei seinem Vorschlag auf eine Zeichnung von Gerhard Nauen aus dem Jahr 1571 bezog. Diese Zeichnung entstand vor dem Hintergrund des Prozesses um die Reichsunmittelbarkeit, den die Stadt Trier damals verlor. Auf dem Pranger war das Wappen des Erzbischofs und Kurfürsten abgebildet, da dieser die Gerichtsbarkeit innehatte. Der Entwurf aus den 1970er Jahren trägt hingegen eine krönende Fahne mit dem Bild des Heiligen Petrus, dem Stadtpatron Triers. Damit wird deutlich, dass der Pranger in der Grabenstraße einerseits an die vergangene Zeit erinnert, andererseits aber doch eine moderne, freie Interpretation des „Schandpfahls“ ist und somit nicht mehr seinem früheren Zweck – dem der öffentlichen Bestrafungen – dient.

Der Pranger war nicht das erste Mal über längere Zeit aus dem Straßenbild verschwunden. Bereits 2004 wurde der Stamm erneuert und zwischen 2013 und 2015 musste die Konstruktion durch die Zimmerei Tschickardt saniert werden. Dort wurde in den vergangenen Monaten unter Federführung von Sebastian Kohns in Zusammenarbeit mit Handwerkern der Firma Peter Frisch, der Kunstschmiede Unterreiner und der Dachdecker Johann Peter Lay der Pranger wieder auf Vordermann gebracht. Keine alltägliche Arbeit, wie Firmenchef Jan Tschickardt erläutert: „Die aufwendige Bearbeitung des massiven 150 Jahre alten Eichenstamms war eine außergewöhnliche Aufgabe.“ Der 400 Kilo schwere Eichenstamm ist übrigens kein Trierer, sondern stammt aus dem Stadtwald von Backnang in Baden-Württemberg.

Die Trier Gesellschaft finanzierte die Arbeiten mit einem Betrag von 15.000 Euro. Für einen stabilen Fuß sorgte die Stadt Trier, indem der alte Sockel aus großformatigen Sandsteinblöcken durch StadtRaum Trier instandgesetzt wurde. Somit ist der Pranger durch das Zusammenwirken von Bürgerschaft, ortsansässigen Handwerkern und der Stadtverwaltung ein im besten Sinne städtisches Werk.

Elvira Classen, Leiterin des Amtes für Stadtkultur und Denkmalschutz, bedankt sich bei Karlheinz Scheurer, dem Vorsitzenden der Trier Gesellschaft: „Unsere historische Stadt hat dieses Jahr ein ganz besonderes Weihnachtsgeschenk erhalten, das wir mit großer Freude entgegennehmen.““

Siehe auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Pranger

Vortext: Christoph Maisenbacher
Quelle: Presseamt der Stadt Trier – 23. Dezember 2024
Foto: © Presseamt der Stadt Trier