Wenn der Countdown am Arbeitsplatz läuft: Es gibt immer noch zu viele Jobs auf Zeit, so die Gewerkschaft NGG Trier. - Foto: © NGG / Florian Göricke

ARBEIT

35 % der neuen Arbeitsverträge in Trier sind befristete Jobs mit Verfallsdatum – bundesweit betrifft es die unter 25-Jährigen mit 47 % am meisten

Jerome Frantz, der Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten Region Trier bringt es auf den Punkt: jeder befristete Job – und 35 % (also gut 1/3 der neuen Arbeitsverträge) – lassen keine Zukunftsperspektive zu. Ich bekomme wohl keinen Mietvertrag, kann weiter von einem Kredit träumen und der Traum von einem Auto oder Wohneigentum ist geplatzt. Egal mit welcher Grundeinstellung ich die Welt betrachte, ein befristeter Job macht depressiv. Und das umso mehr, wenn ich als Arbeitgeber damit hingehalten werde. Dass damit verbunden eine Lustlosigkeit geradezu motiviert wird, scheint den Arbeitgeber*innen nicht bewusst zu sein.

Respekt und Anerkennung führt zum Engagement im Betrieb

Klar, nicht alle Arbeitgeber können die Auftragslage abschätzen und sichern sich mit den befristeten Arbeitsverträgen die Möglichkeit einer schnellen Auflösung des Angestelltenverhältnisses. Aber sind das wirklich 35 % die so denken oder handeln müssen? Und wie will ich – gerade im Hinblick auf die unter 25-Jährigen, bei dem knapp 50 % (also knapp die Hälfte) befristet angestellt sind – eine Motivation entwickeln, sich für das anstellende Unternehmen zu engagieren? Respekt und Anerkennung eines Unternehmens führen automatisch dazu, dass man als Angestellte / Angestellter auch mal fünf gerade sein lässt.

Und die Frauen?

In befristeten Arbeitsverhältnissen scheint eine gewisse Geschlechtergleichzeit zu herrschen – zumndest in der Verteilung. Dass die 20 % weniger-Regel sicherlich auch hier gilt, darüber besteht kein Zweifel (vgl. unser Artikel dazu: https://www.trierer-umschau.de/2024-11-22b/).

Von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten Region Trier liegt uns folgende Presseinformation zu diesem Thema vor:

NGG: „Befristete Jobs bieten keine Perspektive, dafür aber jede Menge Hürden im Alltag“

Wackelige Jobs“ in Trier: 35 Prozent der neuen Arbeitsverträge sind noch befristet

„Jobs auf Zeit“ sind wackelig: Wer heute in Trier einen neuen Arbeitsvertrag unterschreibt, der muss immer noch damit rechnen, dass nach einem oder anderthalb Jahren Schluss ist mit dem Job. „Es gibt zwar einen Fachkräftemangel. Trotzdem verzichten einige Betriebe in Trier nach wie vor darauf, ihre Beschäftigten zu binden: Sie drücken ihnen Verträge mit Zeitlimit in die Hand“, sagt Jerome Frantz von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG).

Der Geschäftsführer der NGG Trier nennt aktuelle Zahlen und beruft sich dabei auf die Bundesagentur für Arbeit: So haben nach Angaben der Gewerkschaft im ersten Quartal dieses Jahres private und öffentliche Arbeitgeber in Trier rund 3.760 Arbeitsverträge abgeschlossen. „35 Prozent davon waren befristete Jobs. Bundesweit lag diese Quote bei knapp 34 Prozent. Ganz klar: Ziel muss es sein, so wenig befristete Jobs wie möglich zu haben“, sagt Jerome Frantz. Er rät Beschäftigten, vor der Unterschrift unter einem Arbeitsvertrag nachzuhaken, warum dieser befristet sei.

„Arbeitsverträge auf Zeit bedeuten ‚wackelige Jobs‘. Wer also einen Arbeitsplatz mit Perspektive sucht, der wird keinen ‚Job mit Verfallsdatum‘ nehmen, wenn es Alternativen gibt. Daran hängt schließlich vieles: Befristete Arbeitsverträge machen die Wohnungssuche deutlich schwerer. Außerdem sind sie eine hohe Hürde bei Krediten – und damit auch für entscheidende Anschaffungen: vom Auto bis zur Eigentumswohnung“, so Frantz. Oft komme dadurch sogar die Familienplanung ins Rutschen.

Um das zu verhindern, fordert die NGG Trier, Befristungen ohne konkreten Sachgrund – wozu beispielsweise die Überbrückung einer Elternzeit gehört – abzuschaffen. Eigentlich hatte sich die inzwischen zerbrochene Ampel-Koalition vorgenommen, „Ketten-Befristungen“ einzudämmen, um die Zahl von Zeitverträgen zu reduzieren. „Das ist nur eine von vielen liegengebliebenen Aufgaben der Ampel. Aber eine, die für die Beschäftigten wichtig ist“, so Jerome Frantz. Die Reduzierung von befristeten Arbeitsverträgen bleibe daher ein Problem, um das sich die nächste Bundesregierung und der neue Bundestag kümmern müssten.

Ein Dorn im Auge ist der Gewerkschaft die befristete Weiterbeschäftigung nach einer Ausbildung: Wer nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung nur eine Übernahme auf Zeit angeboten bekomme, dem fehle die berufliche Perspektive. „Ein ‚Job mit Verfallsdatum‘ kann schnell zur Karrierefalle werden. Junge Menschen lassen sich nicht auf der ‚beruflichen Warmhalteplatte‘ parken – weder in der Lebensmittelproduktion noch in der Gastronomie oder in anderen Branchen“, sagt Jerome Frantz.

In der Praxis sei diese Botschaft allerdings noch längst nicht angekommen: Mit 48 Prozent war bundesweit fast jede zweite Neueinstellung von unter 25-Jährigen befristet. Das geht aus aktuellen Zahlen der Böckler-Stiftung hervor. „Außerdem nutzen Arbeitgeber die vermeintlich schwächere Position von Menschen aus, die keine Berufsausbildung haben: Gut die Hälfte von ihnen bekommt bei einer neuen Stelle nur einen befristeten Arbeitsvertrag“, so Jerome Frantz. Auch das habe die Analyse der Böckler-Stiftung ergeben. Menschen mit Berufsausbildung hätten dagegen nur zu knapp 28 Prozent einen befristeten Job.

Vortext: Christoph Maisenbacher
Quelle: Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) Region Trier / Jerome Frantz – 23. November 2024
Foto: © NGG / Florian Göricke