Wir sollten niemals den 9. November 1938 vergessen, so dass heute und in Zukunft kein Schrei unerhört bleibt - Foto: Marie Mellando Mitjans – Unsplash (1)

FRIEDEN

Der 9. November – die Reichsprogromnacht 1938 – bleibt ein Stempel auf der deutschen Geschichte

Als Nachkrieges-Generationen mag man Dinge aus der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland nicht immer und immer wieder serviert bekommen. Man gehört zur Nachkriegs-Generation. Doch als Mensch, der sich zu einem Land zugehörig fühlt, ist man auch Teil der Geschichte dieses Landes. Und die Geschichte von Deutschland ist in all ihren Farben eben auch auf meine eigene Stirn geschrieben. Da mag ich mich noch so sehr waschen. Geschichte ist – sofern die Geschichtsschreibung nicht von Staats wegen umgeschrieben wird – immer ein Teil meiner Geschichte.

Nicht als Schuld, nur als Stempel.

Die Diskussion mit der „Schuld“ wird in der Gegenwart nicht vorgehalten. Doch kann und muss das Wissen verlangt werden. Das Wissen sollten wir als deutsche Staatsbürger*innen von uns selbst verlangen. Denn wenn wir in unserer Gegenwart einem Schrei oder einer Ungerechtigkeit mit Schweigen begegnen, dann werden wir schuldig!

Gerne zitiere ich Halina Birenbaum (‚1928) als israelische Schriftstellerin und Auschwitz-Überlebende:

„Ein Sohn kann nicht schuldig sein, wenn der Vater ein Mörder ist. Aber auf ihm klebt ein Fleck. Ein junger Deutscher hat eine Verantwortung, nie so zu sein, wie die Verbrecher damals. Als Sohn eines Mörders muss er noch mehr als alle anderen tun, damit er zeigen kann, dass er ein ehrlicher Mensch ist, dass er nie jemanden verfolgen, nie jemanden umbringen wird. Wer stolz auf Goethe, Schiller und Beethoven ist, muss auch Schande empfinden für Hitler. Ich habe Auschwitz gesehen, jeden Tag, fast zwei Jahre lang, im Alter von 13 bis 15 Jahren. Ich habe die Züge gesehen, die die Menschen gebracht haben, und den Geruch von verbrannten Menschen immer bei mir behalten. Und doch fühle ich keinen Hass, habe auch damals keinen Hass empfunden. Hass braucht Zeit, man muss sich damit beschäftigen. Nach dem Krieg war ich nur glücklich, dass die Nazis besiegt waren. […] Die Deutschen sollen sich immer daran erinnern, was Deutsche mit den Juden gemacht haben. Es schmerzt, wenn heute Deutsche behaupten: „Das gab es nie.“ Wer zulässt, dass junge Neonazis wieder „Heil Hitler“ brüllen, der muss sich schuldig fühlen.
(vgl. https://www.stern.de/politik/deutschland/auschwitz-muessen-wir-uns-heute-noch-schuldig-fuehlen–3544972.html )

Wenn in Trier der Opfer gedacht wird

Am 9. November sollte man differenzieren und nicht die Gegenwart und die deutsche Vergangenheit in einen Topf werfen. Jede Form von Krieg, Gewalt und Unmenschlichkeit ist überall auf dieser Welt verwerflich. Am 9. November allerdings wird der Unmenschlichkeit gedacht, die sich auf Nachbarn bezogen hat, Menschen die Teil der Gesellschaft, der Kultur, der Wissenschaft, der Vereine und auch – ja auch – der Landesverteidigung des damaligen Deutschen Reiches waren.

Der 9. November ist für mich ein Aufruf an meine Mitmenschlichkeit

Denn was in Deutschland in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 geschah, hat sich auch in Trier ereignet. Aus diesem Grund übernehmen wir die Pressemeldung und Einladung zur Gedenkstunde am 9. November:

Gedenkstunde für Opfer des Pogroms 1938

Auch in diesem Jahr lädt die Stadt Trier gemeinsam mit der Jüdischen Kultusgemeinde Trier zu einer Gedenkstunde für die jüdischen Opfer der Pogromnacht von 1938 ein. Sie beginnt am Samstag, 9. November, um 17.45 Uhr an der Gedenkstele Zuckerbergstraße / Metzelstraße. Oberbürgermeister Wolfram Leibe wird dabei gemeinsam mit Jeanne Bakal, der Vorsitzenden der Jüdischen Kultusgemeinde, ein Gesteck zum Gedenken niederlegen. Die Trierer Historikerin Jutta Albrecht hält im Anschluss einen kurzen Vortrag zu einer jüdischen Familie aus Trier. Danach wird das Gebet „El Male Rachamim“ in hebräischer und deutscher Sprache gesprochen.“

Welche Form des Gebets „El Male Rachamim“ gewählt werden mag, haben wir vor der Veröffentlichung dieses Artikels nicht nachgefragt. Dennoch erlaube ich mir folgenden Gebetstext zu zitieren:

G’tt voller Erbarmen, in den Himmelshöhen thronend,
es sollen finden die verdiente Ruhestätte
unter den Flügeln Deiner Gegenwart,
in den Höhen der Gerechten und Heiligen,
strahlend wie der Glanz des Himmels,
all die Seelen der Sechs-Millionen Juden,
Opfer der Shoah in Europa,
ermordet, geschlachtet,
verbrannt, umgekommen in Heiligung Deines Namens;
durch die Hände der deutschen Mörder
und ihrer Helfer aus den weiteren Völkern.
Sieh die gesamte Gemeinde betet für das Aufsteigen ihrer Seelen,
so berge sie doch Du, Herr des Erbarmens,
im Schutze deiner Fittiche in Ewigkeit
und schließe ihre Seelen mit ein in das Band des ewigen Lebens.
G’tt sei ihr Erbbesitz,
und im Garten Eden ihre Ruhestätte,
und sie mögen ruhen an ihrer Lagerstätte in Frieden.
Und sie mögen wieder erstehen zu ihrer Bestimmung
am Ende der Tage.

(vgl. https://judentum.hagalil.com/el-male-rachamim/ )

(1) Unser Titelfoto zeigt einen Ausschnitt aus der Installation „Gefallenes Laub“ von Menashe Kadishman im Jüdischen Museum Berlin (vgl. https://www.jmberlin.de/schalechet-gefallenes-laub )

Vortext: Christoph Maisenbacher
Quelle: Presseamt der Stadt Trier / zitierte Quellen – 6. November 2024
Foto: Marie Mellando Mitjans – Unsplash
Video: Terra X History (Youtube)