Darf die Friedenstaube überhaupt noch fliegen? – Foto: Sunguk Kim - Unsplash

FRIEDEN

Krieg oder Frieden – Die Trierer Umschau glaubt weiterhin dass die Diplomatie die Siegessucht übertrumpft

Geht es bei einem Krieg – der zunächst Tod und Zerstörung bedeutet – wirklich um das „gewinnen“. Oder geht es um dieses patriarchische Spiel des „wer den längeren“ hat? Da wird auf- und abgewogen, da wird beschuldigt und verlangt. Doch es wird nicht einfach aufgehört. – Will keiner einfach aufhören, weil das Leid, der Schmerz, die Vernichtung zu viel sind. Oder werden diejenigen, die das Wort Frieden in den Mund nehmen, mundtot gemacht?

Stell Dir vor, es ist Krieg und alle gehen hin

Hat der Frieden ausgedient? Jener Frieden, der zumindest Europa gut 80 Jahre begleitet und den Krieg oder militärische Auseinandersetzungen nur „außerhalb“ von Europa präsentiert hat. Warum mischt Europa jetzt so vehement mit, weil plötzlich „unsere Demokratie“ in Gefahr ist? Oder folgen wir brav den Worten, die auf uns herunterrieseln und uns vorbereiten auf all das Schlimme, was uns droht. Bis hin zur Einnahme Deutschlands (Europas) in einem möglichen 3. Weltkrieg.

Zählen die Toten oder zählen die Rohstoffe

Wenn die Ukraine als Kornkammer Europas bezeichnet wird. Wenn der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij um westliche Unterstützung wirbt mit dem Hinweis auf den Rohstoff-Reichtum seines Landes: „im Wert von Billionen US-Dollar, darunter Uran, Titan, Lithium, Graphit und andere strategisch wertvolle Ressourcen“. Wenn all dies Tot und Zerstörung – also einen Verteidigungs-Krieg rechtfertig (wir hatten darüber bereits geschrieben bzw. einen Link notiert in: https://www.trierer-umschau.de/2024-09-01a/ ) müssten viele aufhören zu appellieren, zu schreiben und zu demonstrieren.

Um das Denken – auch das unserer Redaktion – nicht einschlafen zu lassen, publizieren wir folgenden Artikel, den uns die Internationale Presseagentur Pressenza übersetzt und zugesandt hat. Danke an Alessandro Marescotti von Peacelink Telematica per la Pace (vgl. https://www.peacelink.it/):

Es reicht nicht aus, von einem „gerechten Krieg“ zu sprechen

Immer mehr ukrainische Soldaten sollen angeblich desertieren, während die jungen Leute des Landes den Weg der Verweigerung wählen, um den Militärdienst zu umgehen. Die materiellen und personellen Ressourcen sind schnell aufgebraucht und die Gesinnung befindet sich auf einem historischen Tiefstand. Indessen wird Selenskyjs Niederlage vorbereitet.

Der Krieg in der Ukraine, der im Februar 2022 begann, wurde vom Westen lange als „gerechter Krieg“ dargestellt. Das vorherrschende Narrativ rechtfertigte die militärische, finanzielle und politische Unterstützung für Kiew als Verteidigung der nationalen Souveränität und der Grundprinzipien der internationalen Ordnung. Was sich jedoch im Verlauf der Konfrontation (und der Niederlagen der ukrainischen Soldaten) immer deutlicher zeigt, ist, dass die Regularität eines Krieges nicht nur an den Prinzipien gemessen wird, die ihm zugrunde liegen, sondern auch an seinem Ausgang. Ein „gerechter Krieg“ kann sich, wenn man ihn verliert, in einen Alptraum der Verwüstung ohne Wiederkehr verwandeln, indem er neue Instabilität und neues Leid auslöst.

Selenskyj und die militärische Niederlage

Im Laufe der letzten Monate sind die Nachrichten von der ukrainischen Front immer weniger aufmunternd gewesen. Präsident Selenskyj sieht sich nun einer ganz anderen Realität gegenüber, als er es sich vorgestellt hat. Die weithin angekündigte und vom Westen unterstützte ukrainische Gegenoffensive des Vorjahres hat nicht die erhofften Ergebnisse gebracht. Die russischen Linien blieben intakt und die Verluste im Feld waren riesig.

Diese militärische Fehlentscheidung war der Anfang einer Reihe von Niederlagen für Selenskyj.

Verschiedenen Quellen zufolge desertieren immer mehr ukrainische Soldaten, während junge Menschen im Lande den Weg der Verweigerung wählen, um sich dem Militärdienst zu entziehen. Die materiellen und personellen Ressourcen versiegen rasch und die Stimmung ist auf einem historischen Tiefstand. Selenskyjs Narrativ über die mögliche Rückeroberung der Krim und der östlichen Gebiete entpuppte sich als Hirngespinst. Dadurch dass die militärische Unterstützung des Westens ins Wanken gerät, erscheint die Möglichkeit eines Gesamtsieges der Ukraine zunehmend unrealistisch. Besser noch. Was vorbereitet wird, ist Selenskyjs Niederlage.

Eine verpasste diplomatische Chance

An dieser Stelle ist die Frage berechtigt, ob der Weg der Diplomatie dieses Blutbad nicht hätte verhindern können. Die Vereinbarungen von Minsk, die eine größere Autonomie für die Donbass-Regionen vorsahen, hätten einen Weg für einen ausgehandelten Frieden darstellen können. Die Ablehnung eines NATO-Beitritts der Ukraine und die Sicherstellung einer Position von geopolitischer Neutralität, wie von vielen vorgeschlagen, hätte den Konflikt abwenden können. Stattdessen hat die harte Linie der ukrainischen Regierung, die stark von der Unterstützung des Westens geprägt wurde, zu einem verheerenden Krieg geführt, der bis heute weit davon entfernt zu sein scheint, einen günstigen Ausgang für Kiew zu nehmen.

Der Preis des Krieges

Die Zahlen sprechen Klartext: eine Million Tote und Verletzte, zerstörte Städte, Millionen Vertriebener. Der Krieg hat enorme Ressourcen verbraucht, nicht nur in der Ukraine, sondern auch in den Ländern, die sie unterstützten. Selenskyjs Traum von einem totalen Sieg ist an der harten Realität des russischen Widerstands zerbrochen, und sein Ziel, die Krim zurückzuerobern, erscheint immer mehr als unerfüllbare Vorstellung, denn als ein realistischer strategischer Plan.

Inzwischen beginnt der Westen die Nachhaltigkeit seiner Unterstützung bis aufs Äußerste zu hinterfragen. Besonders die USA stehen vor einer internen Debatte darüber, wie viel sie noch bereit sind in einen Krieg zu investieren, der kein Ende zu haben scheint. Die militärischen Ressourcen sind begrenzt und durch die wachsende chinesische Herausforderung auf der Weltbühne könnte Washington beschließen, sich auf andere Prioritäten zu konzentrieren.

Ein Krieg, der zum Albtraum wird

In Anbetracht dessen taucht die Frage auf: wer wird einen Vorteil aus diesem Krieg ziehen? Zunächst sieht es so aus, als ob das einzige konkrete Ergebnis eine beispiellose Verwüstung sei, mit geringer Chance auf einen dauerhaften Frieden. Ein „gerechter Krieg“ kann, wenn er ohne eine klare Siegesstrategie oder einen ausgehandelten Ausweg geführt wird, sich schnell in einen Krieg verwandeln, der nur für Zerstörung sorgt.

Die Geschichte ist voller Beispiele, in denen die Siegessucht zu einer Katastrophe geführt hat, und die Ukraine droht das jüngste tragische Kapitel in dieser Lektion zu werden.

Die Übersetzung aus dem Italienischen wurde von Doris Fischer vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt.“

Vortext: Christoph Maisenbacher
Quelle: Pressenza International Press Agency – Allessandro Marescotti / Pacelink – Übersetzung: Doris Fischer – 29. Oktober 2024
Foto: Sunguk Kim – Unsplash